Buchmessen. Buchstäblich die großen Orte der Begegnung
Diese Worte verkündete Mauro Mazza, der Außerordentliche Beauftragte für die Teilnahme Italiens als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2024, anlässlich der Fiera Nazionale della Piccola e Media Editoria, die am 6. Dezember unter dem Titel Più libri più liberi in Rom stattfand. Eine von der RaiNews24-Journalistin Loretta Cavaricci moderierte Veranstaltung, an der zahlreiche Vertreter des Verlagswesens teilnahmen, als Vorbereitung auf das im Oktober stattfindende Aufeinandertreffen der beiden Länder Italien und Deutschland, die selbstredend eine jahrhundertelange kulturelle Tradition miteinander verbindet.
„Die Ursprünge der Frankfurter Messe reichen bis ins Jahr 1436 zurück“, erinnert sich Direktor Jürgen Boos. Das Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ gilt also auch für die Geschichte der Buchmesse selbst: Ein wertvolles und durch die Zeit weitergetragenes Erbe sowie ein in die Zukunft gerichteter Blick im Namen einer Kultur, die sich als „kollektiv, vielfältig, pluralistisch“ versteht, wie es Mauro Mazza hoffnungsvoll formuliert, und den Herausforderungen gewachsen sein wird, die die neuen Medien und neuen Leser nachdrücklich an sie stellen.
Zeitungen, TV, Internet, Messen, was davon ist wirklich wichtig?
Die Nachfrage beansprucht alle beteiligten Akteure und betrifft die Strategien, die notwendig sind, um eine stetig wachsende Zahl von Lesern in eine tiefgreifend veränderte Medienlandschaft einzubeziehen. Die Frage lautet insbesondere, welche Rolle Buchmessen heute für die Förderung von Büchern spielen können.
„Ich glaube ohne jeglichen Zweifel an den erlebbaren Wert von Buchmessen. Diese dienen dazu, die Buchgemeinschaft zu konstituieren bzw. zu stärken und die Beziehung zur Lektüre zu vertiefen“, sagt Annamaria Malato, Vorsitzende von Più libri più liberi.
„Frankfurt ist kein Ort, an dem man Produkte verkauft, sondern Geschichten sichtbar macht, und das bedeutet, die Menschen hinter den Geschichten zu zeigen, die Autoren, die Übersetzer und all jene, die hinter den Kulissen mitwirken, und nicht zuletzt die Leser mit den Autoren in Kontakt zu bringen“, erklärt Direktor Jürgen Boos.
Das Konzept der Messe als Treffpunkt ermöglicht in erster Linie, alle Teilnehmer auf die Erkenntisse von Più libri più liberi einzuschwören, findet im Rahmen von Literaturmessen doch für gewöhnlich eine Vielzahl von Veranstaltungen statt, die die Distanz zwischen den Schaffenden und der Öffentlichkeit verringern soll; daneben haben sich auch die Möglichkeiten, Bücher zu bewerben, erheblich verändert und so bittet die Öffentlichkeit selbst die Schriftsteller lautstark darum (bzw. nötigt sie schier dazu), sich zu präsentieren und zu produzieren: Die Leser möchten ihre Autoren nicht länger nur anhand ihrer Bücher kennenlernen, sondern ihnen in die Augen sehen, Einzelheiten von ihnen erfahren und mit ihnen auf Tuchfühlung gehen, was überhaupt erst von den sozialen Medien möglich, wenn nicht sogar unabdingbar gemacht wurde. Das Gute? Das Böse?
Sieben Sekunden oder sieben Kapitel?
Dieses Phänomen hat mit dem spartenunabhängigen Fernsehen begonnen, wie Mauro Mazza feststellt: „Nicht die ersten sieben Kapitel zählen, sondern die ersten sieben Sekunden.“
Ein Phänomen, das der Sprache eine zunehmende „Gefühlsbetontheit“ aufbürdet und den Autoren die Notwendigkeit, sich mit „ihrem Körper und ihrem Gesicht“ hinzugeben, wie es die Journalistin des Corriere della Sera Roberta Scorranese ausdrückt. Eine ständige Forderung nach Verfügbarkeit, die nicht nur positive Facetten hat – wenn die Persönlichkeit des Autors die Qualität des Werkes überstrahlt -, die aber einen entscheidenden Faktor darstellt, dem Rechnung getragen werden muss.
„Glücklicherweise gibt es noch die Literaturmessen mit ihren Büchern, die wir ansehen und durchblättern können, und wo wir auchdie Autorinnen und Autoren treffen können“, sagt Scorranese.
Das Geschenk der Allgegenwart
Auch die herkömmlichen Mechanismen der Buchbewerbung haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten radikal verändert, wie der RAI-Journalist Giorgio Zanchini gekonnt veranschaulicht: Früher genügten ein paar renommierte Presseberichte und eine Hand voll Radio- und Fernsehinterviews, damit Autoren behaupten konnten, ihre Arbeit getan zu haben; „heute müssen alle physischen und digitalen Kanäle bedient und bis zur Omnipräsenz ausgereizt werden, doch... -wie Zanchini immer wieder betont - „heißt Werbung keineswegs gleich Absatz. Bücher zu bewerben, bedeutet auch, Ideen zu verbreiten, und genau dafür sind Messen da.“
Der Wald der Fiktionen von Frankfurt
Frankfurt wird sich folgendermaßen präsentieren: ein Wirbel an Ideen, der die Seiten fliegen lässt, unzählige Handschläge, um noch vor den wirtschaftlichen symbolische Bande zum Gegenstand Buch zu knüpfen, viel Lust auf Italien, eine Einladung zu Streifzügen durch den Wald der Fiktionen, um es mit Umberto Eco zu sagen (der 1988, als Italien zuletzt Ehrengast war, als Autor in Frankfurt die Hauptrolle spielte), um dann auf dem vom Architekten Stefano Boeri ersonnenen Platz Gespräche zu führen, auf dem sich Tradition und Innovation tausend Mal begegnen werden und auf dem es in den Worten Mauro Mazza buchstäblich und nicht nur rein virtuell möglich sein wird, „Großartiges zu denken“.