„Zielort Frankfurt“. Kultur ist das Gegenteil von Einsamkeit
Die Einladung Italiens zur Frankfurter Buchmesse war Thema einer Konferenz unter dem Titel „1988–2024, Italien in Frankfurt“, deren Hauptakteure das Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ auf einzigartige Weise verkörperten: Dabei kam es zu einem Gespräch zwischen dem Außerordentlichen Beauftragten Mauro Mazza, der die im Oktober stattfindende Veranstaltung organisierte, und Stefano Rolando, dem ehemaligen Leiter der Abteilung für Information und Verlagswesen des Ministerrates, der die erste Teilnahme unseres Landes an dieser bedeutenden deutschen Buchmesse im Jahr 1988 in einer ähnlichen Rolle betreute. Die Gründung der Buchmesse Turin im selben Jahr trägt ihren Teil zu diesem geschichtsträchtigen und bedeutsamen Datum bei.
Andere Zeiten, zahlreiche Anekdoten. Giulietta Masina, Botschafterin des italienischen Kinos, trifft auf das neue deutsche Kino; Umberto Eco präsentiert das Foucaultsche Pendel und den vom internationalen Erfolg von Der Name der Rose inspirierten und von Cinecittà-Mitarbeitern errichteten Pavillon Italiens, den die damaligen Kritiker als ein von „Stümpern aus Papiermasché hingeklatschtes“ Werk schmähten. Nie zuvor erwies sich ein Kartenhaus als derart erfolgreich und beständig: Damals wurden deutschlandweit pro Jahr Übersetzungsrechte für gerade einmal acht bis zehn italienische Werke verkauft. Heute sind die Zahlen viel höher, doch fing laut Stefano Rolando alles mit dieser gewagten Wette an, die bravourös gewonnen wurde.
„Der Mut zur Kreativität“
Diesen „Mut zur Kreativität“, der damals vor den Vorhang trat und von großem Erfolg gekrönt war, wünscht sich der außerordentliche Beauftragte Mauro Mazza auch heute. Neben dem notwendigen Pragmatismus, um die Dringlichkeit einer Aufgabe dieser Größenordnung zu bewältigen, fordert er zudem das heilige Recht auf Fantasie ein, da das Buch als Fenster zur Welt nach wie vor im Mittelpunkt von allem steht.
Kultur, Kreativität und Vorstellungskraft gehören zur DNA unseres Landes. Kreativität als Form der Rebellion und bisweilen der Improvisation, die jedoch beide durch ein tragfähiges Substrat ermöglicht werden, das „einerseits die Grundlage und andererseits die Glaubwürdigkeit bildet, um voranzukommen“, wie Mauro Mazza betont, der erklärt: „Ich würde mir die Verwirklichung eines kulturellen Italiens wünschen, das selbstverständlich kreativ und interessant ist, zur Neugierde anregt und geschätzt wird - auch und gerade in seiner Unbeschwertheit. Ich fände Gefallen an einem Italien, das in vollem Bewusstsein Freude auszustrahlen scheint.“
Dementsprechend stellt sich der außerordentliche Beauftragte Mauro Mazza vor, dass das in seiner Lektüre versunkene und auf seiner Calla sitzende Mädchen, das von Lorenzo Mattotti für Italien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2024 meisterhaft illustriert wurde, sich von seinem Blumensessel erhebt und mit seinem Buch der Welt entgegentritt, um andere Lesende kennenzulernen. Mit ihnen möchte es eine Leidenschaft teilen, die aus dem Stoff besteht, aus dem die Träume sind, aber auch aus Worten, die dazu fähig sind, Unterhaltungen anzuknüpfen, die sich positiv auf die Qualität des zivilen und demokratischen Lebens auswirken.
Für Italien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse stellt sich Mauro Mazza zudem eine Kultur der Begegnung vor: Auf einem großen, für Italien typischen Platz, der vom Architekturbüro Boeri als Antwort auf jene Elfenbeintürme ersonnen wurde, die keinerlei Zuflucht bieten, versichert der Außerordentliche Beauftragte: „Wir werden angenehme Überraschungen erleben“. „Die Gesellschaft eines guten Buches stellt eine Form der Beziehung dar“, sagt er, und in Frankfurt werden sich unendlich viele fruchtbare Beziehungen zu voller Blüte entfalten.
Kultur verbindet
Ein weiteres wiederkehrendes Konzept bzw. Thema, das in Frankfurt von Bedeutung sein wird, wie Mazza unterstreicht, bezieht sich auf die Fähigkeit der Kultur, Brücken zwischen Ideen, Völkern, zwischen Vergangenheit und Zukunft zu schlagen:
„Eine Kultur, die dort verbindet, wo Politik teilt und Waffen drohen, wo Gegensätze der verbindenden Kraft Europas im Wege stehen.“ Doch nicht nur das. „An meine Kollegen richte ich die Bitte“, sagte Mazza, „sich diesem Ereignis voller Neugier und ohne Vorurteile bzw. Scheuklappen zu nähern“. Nach 36 Jahren sind wir im Oktober erneut in Frankfurt zu Gast und es ist schön, sich vorzustellen, dass wir uns zwar sehr verändert haben, dass jedoch der Reiz, den Italien damals auf Deutschland und Europa ausübte, in diesem Jahr wiederholt und von Neuem erzeugt, ja vielleicht sogar noch übertroffen werden kann.
Herausragende Intellektuelle wie Dacia Maraini und Claudio Magris werden zum zweiten Mal in Frankfurt mit dabei sein und jungen Menschen begegnen, die vor dem Fall der Berliner Mauer noch nicht geboren waren. Sie vertreten ein Italien, das vertrauensvoll auf die Hauptakteure der internationalen Kulturszene zugeht. Ein Italien, das einem offenen Buch gleicht, in dem jene Veränderungen stehen, die die Zukunft erahnen lassen, aus dem jedoch gleichzeitig die Spuren einer Kunstproduktion hervorgehen, deren Wurzeln in der Vergangenheit liegen; von den Ursprüngen des Buchdrucks bis hin zur ehrwürdigen Tradition, die im Ausland bisweilen angesehener zu sein scheint als im eigenen Land. Nemo propheta in patria, aber viele Propheten in Frankfurt, also: ein unbändiger und umsetzbarer Wunsch.
Über 200 Veranstaltungen, hundert Autoren, Musik, Kino, Kunst, Theater, Fotografie und Gastronomie – Italien wird sein Bestes zur Schau stellen, um es mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen, da „Kultur das Gegenteil von Einsamkeit ist“, um es mit Mauro Mazzas Worten zu sagen. Kultur ist ein wichtiges Vehikel, nicht nur was die Existenz des Einzelnen, sondern auch was die internationalen Beziehungen anbelangt. Tatsächlich gibt es eine Kulturwirtschaft, die über die Geldwirtschaft hinausgeht, aus der sich die Beziehungen zwischen Ländern speisen können, und die die „weit verbreitete Lust auf Italien“ mit der geistigen Nahrung unserer Kreativität versorgt.